Die Ich-Störung Teil 2 oder: Nächtliche Kreativanfälle

Obwohl ich in diesem mysteriösen Fall der Polizei alle drei Hauptverdächtigen genannt habe, konnte bislang keiner der unter dringendem Tatverdacht Stehenden gefunden werden.
Ich berichtete über den verheerenden Klingelnamensschildklau letztes Jahr (26. Mai 2015):

https://auftragsmoerderin.wordpress.com/2015/05/26/die-ich-storung-oder-kriegst-auch-meine-superglotze/

Und auch im Jahre 2016 geht der ominöse Fall weiter. In regelmäßigen Abständen wird weiter mein Klingelschild geklaut – und das obwohl 1. „Golch“ nicht der sprachmelodisch Umwerfendste aller Namen ist und 2. die Fahndung nach den mutmaßlichen Tätern ausgeweitet wurde: nach Franz Kafka, nach Daniel Maria Gammel (der kein eigenes Klingelschild hat und verzweifelt versucht, sich aus meinen ein eigenes zu bauen) und nach der Person mit einer Ich-Störung (die sich aus Identitätsteilen anderer eine eigene webt, damit ihre Seele einen Ort hat, wo sie einziehen und Frieden finden kann).

Und obwohl ich den Schuldigen in aller Höflichkeit und hier auf meinem Blog darum gebeten habe, das nächste Mal neben dem Schild auch mein Altglas und mein Altpapier mitzunehmen, kam die Sau dieser Bitte nie nach.

Gestern war ich so frustriert von der Sache, dass ich mir ein Bierchen in einer grünen Flasche genehmigte.
Frust und Alkohol – immer eine schlechte Idee, sagt man so. Aber ich hatte zu dieser Idee auch eine zweite, geniale Idee. Und klüger ist man ja immer erst am nächsten Tag.

„Ich zeichne und bastele ja hin und wieder ganz gerne“, denke ich also so, „warum nicht einfach auch ein neues Klingelschild? Ha! – und zwar eines, das keiner so schnell davon tragen kann!“
Darauf trank ich erst mal ein zweites Bierchen aus einer grünen Flasche. Dann breitete ich mich mit den Utensilien an meinem schweren, spanischen Esstisch aus, der Platz für zwölf Leute bietet, und begann mit der Arbeit.

Heute morgen habe ich mich noch richtig gefreut über meinen nächtlichen Kreativanfall. Dann stand ich auf und stolperte ich über das Altglas. Grüne Flaschen machen den meisten Lärm, schon gewusst?

Ich ging mit dem Hund raus. Der musste sowieso mal, aber vor allem wollte ich mein nächtliches Werk im Licht des jungen Tages begutachten und mich daran erfreuen.

Es gibt Tage, da wird einem leider die Lektion erteilt, dass zu viel Biergenuss zu zeitweiliger Orthografieschwäche führen kann. Sogar mein Hund war ganz geknickt.

BLOG Grolsch

Wenn jemand jemanden mit dem Namen Grolsch kennt, einen Niederländer vielleicht, schickt ihn gerne vorbei! Hier werden öfter Klingelschilder geklaut, das ist in Kreuzberg keine große Sache.

 

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Wie haben die das früher gemacht???

Kaum aufgewacht, schäle ich mich unter den drei Decken hervor. Drei? Habe ich richtig gezählt? Tatsächlich. Auf dem Weg zum Kaffee machen – taps, taps, taps – erinnern mich meine schockgefrosteten Füße daran, dass etwas nicht stimmt.

Am Vortag hat die Heizung ihren Geist aufgegeben.

Am ersten Tag ist das noch lustig, denn es schweißt die Nachbarschaft zusammen. Spät abends noch bilden sich Grüppchen im Hof, weil man in Erfahrung bringen will, ob es bei den anderen im Haus auch so arschkalt ist oder ob man der einzige ist, der mit Mütze schlafen gehen muss.

Sonntagnacht trafen wir uns mit Taschenlampen im Hof, denn, hipphipphurra, neben der Heizung war auch der Strom ausgefallen.

Normalerweise ist der erste Kaffee am Tag immer der Beste, nicht nur weil ich ihn von Hand brühe und im Bett trinke, sondern auch weil er ein reines Genussgetränk ist, noch nicht begleitet von Gedanken, was in den nächsten zehn Stunden alles zu tun ist.
Braucht man den Kaffee allerdings, um sich die Hände am Becher zu wärmen, können einem Überlegungen, wo man die Servicerufnummer der Hausverwaltung hingelegt hat, durchaus den jungfräulichen Morgen vermiesen.

Habe ich schon erwähnt, dass neben Heizung und Strom auch Warmwasser nicht geht? Ein großer Spaß für Menschen, bei denen eine gewisse körperliche Hygiene zum Start in den Tag gehört.

Es ist zu kalt in meiner Wohnung zum Frühstücken. Ich packe Hund und Laptop zusammen und gehe ins Café.
Zuerst muss ich dringend ein paar Mails schreiben. Doch:

Blog Heizung 1
Ich trinke guten Cappuccino und esse ein ausnehmend fades Schinkensandwich. Hoffentlich war der Schinken wenigstens Bio und von einem Tier mit freundlichem Leben.
Nachdem ich mich um die Mittagszeit warmgeschrieben habe und mir endlich auch wieder körperlich warm ist, muss ich zurück nach Hause in die Nur-mit-Mütze-betreten-Wohnung. Heute kommen die Leute für die Jahresablesung, um Kalt- und Warm(ha-ha!)wasserstände in ihre kleinen Geräte einzutragen.

Aber vielleicht geht inzwischen ja die Heizung wieder.

Die Hoffnung stirbt sofort.

Ich überlege, im Wohnzimmer ein heimeliges Feuer zu entfachen. Das Altpapier müsste eh mal wieder entsorgt werden.

Natürlich kommen die Jahresableser nicht zur angesagten Zeit. Ich mache mir eine Wärmflasche zur Decke und trinke den zig-sten heißen Tee heute. Und warte.
Der Nachteil, wenn man so viel heißes Zeugs in sich hinein kippt, um den Körper auf lebenserhaltenden Temperaturen zu halten, ist, dass man ständig aufs Klo rennen muss. Die Minusgrade haben längst auch das Bad erobert. Ich glaube, wenn man beim Pinkeln den eigenen Atem vorm Gesicht sehen kann, sollte man im Drogeriemarkt um die Ecke schon mal zwei Packungen „Blasentee forte“ kaufen. Ich schreibe es auf die Einkaufsliste.
Normalerweise werde ich in der Wintersaison erst während der Berlinale Anfang Februar krank, weil auf den Empfängen ebensoviele Bazillen verteilt werden wie Proseccogläser. Diesmal stehen die Chancen gut, dass ich schon vorher krank werde.

Ich überlege, den Gasherd anzumachen und die Tür offen stehen zu lassen, um einem Antibiotikum zu entkommen. Aber bei meiner Krimi-Phantasie sehe ich mich und meinen Hund schon tot in der Küche liegen, verstorben an Sauerstoffmangel und in der Gaswärme zu unschönem Dörrobst verwelkt, wenn man uns dann endlich findet.

Nachdem die Leute von der Jahresablesung da waren („Sie ham det ooch so kalt hier! Die im Vorderhaus nisch, da bollerd de Heezung.“ – danke, wie schön zu wissen …), ziehe ich mir Schiunterwäsche unter die Jeans, sodass ich aussehe wie das weibliche Michelinmännchen, verlasse die Kältezelle und gehe mit dem Hund aufs Tempelhofer Feld. Es hat minus 2 Grad, aber die Sonne scheint – und ebenso scheint es mir, dass es hier deutlich wärmer ist als bei mir zu Hause.

Blog Heizung 2
Doch in der Nacht scheinen mir trotz Mütze eben jene Gehirnzellen erfroren sein, in denen mein Wissen über „Handschuhe, deren Anwendungsmöglichkeiten und deren Nutzen“ gespeichert waren. Ich habe die gefütterten Handwärmer zuhause vergessen. Nach fünfzehn Minuten auf dem Feld gefrieren mir die Finger. Werde ich jemals wieder tippen, einen Roman, ein Drehbuch, einen Blogeintrag schreiben können? Werde ich jemals wieder meinen zwischen die Schultern gezogenen Kopf in eine gesunde, halswirbelsäulenfreundlich aufrechte Haltung bewegen können?

Wie haben Schriftsteller eigentlich früher, als Heizungen noch nicht zur Standardausrüstung einer Wohnung gehörten, ihre Werke verfasst, ohne dass ihnen die Griffel am Griffel festgefroren sind? Besonders die Russen, wie haben die es in dieser Eiseskälte geschafft, diese vielen tausend-Seiten-Schmöker zu vollbringen?
Ich denke an Stephen King – nicht weil ich ihn für einen Russen halte und auch nicht weil ich ihn zur Epoche von Gorki, Tolstoi und Dostojewski zähle, sondern weil er seinen besten Roman teils bei Kerzenlicht schrieb. Ich habe viel von Stephen King bis zur Hälfte gelesen und dann weg gelegt. Aber einiges ist zum Niederknien gut. Wenn ich „Dreamcatcher“ geschrieben hätte – nur dieses eine Buch und nichts anderes -, dann wäre ich mit meinem Lebenswerk zufrieden und stolz. Meinen Hund habe ich nach einer Romanfigur aus diesem Werk benannt und ich habe es dreimal auf deutsch und zweimal auf englisch gelesen, so bewegt hat es mich. In dem Nachwort seines Romans erzählt der Schriftsteller, dass er die achthundertvierundzwanzig Seiten mit einem Patronen-Füllfederhalter und wegen eines Stromausfalls teils im Licht von Kerzen verfasst hat. Und das im kalten Winter in Maine.
Ob ich das heute Nacht auch mal ausprobiere?

Auf dem Tempelhofes Feld kündigt sich eine klare – will heißen: arschkalte – Nacht an.

Oh je.

Blog Heizung 3

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